the_bowl_3

WORAN WIR UNS MESSEN MÜSSEN – ODER EBEN NICHT

dt | engl

Das Haus Bartleby verweist in seinen Schriften auf “Bartleby, der Schreiber“, um ihre Idee der Karriereverweigerung und deren Umsetzung im Lebensalltag zu skizzieren. Vor der Verweigerung zur Karriere liegt eine Zeit der Leistung und deren Bewertung. Aber “welche Person ist unter welchen Bedingungen überhaupt in der Lage, ihre Sache ‘gut’ zu machen? Wie macht man seine Sache gut?” (1) und leistet demnach tatsächlich etwas?

Bevor wir also aus etwas aussteigen, müssen wir genau wissen aus was eigentlich. Was soll verlassen werden und warum?  Was steht hinter dem Ort, den wir nie wieder betreten wollen?

The Bowl Berlin

Während ich hier in Berlin an der Warschauer Strasse im “The Bowl” sitze und an Kiezpopcorn arbeite, durchlaufe ich die verschiedensten emotionalen Phasen, die eine gedankliche Auseinandersetzung mit einer Systemverweigerung und damit deren Folgen nach sich zieht. Das Hinterfragen einer Systemethik und damit moralische Bewertung einer Leistungserbringung – oder eben -verweigerung – produziert eine starke innere Auseinandersetzung mit der eigenen Positionierung in jener Gesellschaft, die diese Ethik aufgestellt hat. Ich setze mich in Folge der Leistungsverweigerung also damit auseinander, wie ich zur Gesellschaft des Systems und seine Ethik stehe und was es mir bedeutet dazu zu gehören. Dahinter steht: Ist es mir wichtiger ein Teil dieser Gesellschaft zu sein  oder meine Seele und mein gutes Leben zu retten?

Wenn ich mich das frage, fühle ich unmittelbar. Nämlich die Konsequenz aus einer Ablehnung des Anspruchs, den diese Gesellschaft mir gegenüber erhebt: den Schmerz der Einsamkeit. Ich ahne also im Voraus: wenn ich mich der Leistung und Dienlichkeit verweigere, könnte es still um mich werden.

Aber vielleicht ist das die Chance für meine Rettung: in einem Raum der Stille und Leere alles neu zu werden zu lassen. Wenn ich das Gefühl der Isolation aushalten und überwinden kann, habe ich eine Chance mich in meinem neuen Leben zu retten; überhaupt mein neues Leben retten und das alte tatsächlich zu verlassen.

Es bedeutet also für mich hier im “The Bowl” den Stift zur Seite zu legen und auch dorthin zu schauen, tief durchzuatmen und das zu genießen, was gerade ist. Das gute Essen, die schöne Atmosphäre und die wunderbare Gesellschaft, die neben mir und eben dort ist, wo ich hinschaue. Und irgendwie fühle ich mich gar nicht mehr allein.

The Bowl Berlin

Englisch

The “Haus Bartleby” refers in its writings on “Bartleby the scrivener” to outline their idea of ​​career refusal and their implementation in everyday life. Before the refusal of the career is a time of power and the evaluation. But “which person is under what conditions ever in a position to make their case to ‘good’? How do you make a good job?” (1) and provided a good performance?

So before we get out of something, we need to know exactly from what actually. What to leave and why? What is behind the place we never want to re-enter?

While sitting here in Berlin at Warschauer Strasse in “The Bowl” and working on KIezpopcorn, I go through a variety of emotional phases that draws a mental examination of a system refusal and thus the consequences. Questioning a system ethics and thus moral evaluation of performance – or refusal – produced a strong internal examination of my own positioning in the society that has established this ethic. In confrontation with the result of this I recognize my position in the society of that system and what it means to me to belong to it. Behind this: Is it more important to me to be a part of this society or to save my soul and my good life?

When I ask myself this, I feel immediately . The consequences of a rejection of the claim, the company rises towards me : the pain of loneliness . So I suspect in advance: if I refuse the service it could be quiet around me .

But maybe that’s the opportunity for my salvation : in a space of silence and emptiness to make all things new . If I endure the feeling of isolation and can overcome , I have a chance and thus hope for a good life . In fact, I have the power of the moment , where I save my new life and actually left the old one.

So it is here to put in ” The Bowl ” the pen aside and also to look there , take a deep breath and enjoy what is just for me . The good food, the nice atmosphere and the wonderful  people on my side . And somehow I feel no longer alone me .

(1) Hohe Luft Spezial “Verantwortung” Seite 8 / Ausgabe 4 / 2015

Share

5 thoughts on “WORAN WIR UNS MESSEN MÜSSEN – ODER EBEN NICHT

  1. Ein wunderschöner, melancholischer und gleichzeitig gehaltvoller Artikel! Habe ihn gerne gelesen. Deine Gedanken kann ich nachvollziehen. Zu oft fordert einen das Leben auf, das Gleichgewicht zwischen dem, was verlangt wird, und dem, was man wirklich will, wieder zu finden und neu zu definieren. Ein Balanceakt, der uns vielleicht auch gerade in unserem Job ständig begleitet?!

    • Schön, dass er Dir gefällt!
      Vor allem in unserem “Job”, da man hier am schnellsten in alten Tretmühlen der Leistungsgesellschaft gerät.
      Ich finde es enorm wichtig, auf sich aufzupassen. Wenn man aus einem Hamsterrad aussteigt, muss man schauen, dass man nicht in ein neues gerät. Die wirkliche Freiheit findet man nur, wenn man sich auch emotional lösen und damit tatsächlich aussteigen kann. Bequemlichkeit und Angst darf nicht die Triebfeder sein. Also mutig die Veränderung aushalten und dann kommt the best life ever. :)

  2. Ich habe Ende des letzten Jahres einfach alles hingeworfen was ich hatte.
    Den Job, die tolle Wohnung und den Druck der mir gemacht wurde. Ich würde gerne sagen, dass es super einfach war – aber ich lüge eher schlecht und daher ungern.
    Finanziell am Limit – da ich keinen Job mehr annehme der eigentlich gegen meine Prinzipien verstößt.
    Isoliert von vielen Menschen, die mir eigentlich nicht gut getan haben, die ich aber dennoch vermisse.
    Blöd.
    Aber wir rocken das schon ;)
    Träume leben heißt nicht immer das alles traumhaft ist – hat meine Omi immer gesagt …

    • Das ist echt hart!
      Meine Erfahrung ist: seit ich in meinem neuen Leben unterwegs bin, habe ich ganz viele wunderbare Menschen kennengelernt – Weil ich nach ihnen gesucht habe. Ich habe mich den “Digitalen Nomaden” angeschlossen und bin zu vielen Events gegangen.
      Ich möchte Dich ermutigen, raus zu gehen und nach den Menschen zu suchen, bei denen du dich nicht mehr alleine fühlst. Die sind da draußen und suchen auch. :)

Comments are closed.