Dieses Buch hat schon einiges mitgemacht. Eingequetscht zwischen unzähligen Stiften, Kalender, Portemonnaie, Kamera und anderen Büchern muss “Die Mandarins von Paris” von Simone de Beauvoir ewige Stunden in meiner Tasche erdulden. Es muss Schrammen ertragen, Kritzeleien und Notizen, Knicke in den Seiten und verbogene Buchrücken. Und meine Zuneigung. Weil ich es ständig mit mir rumschleppe, es rausnehme, darin blättere und meine Gedanken bei ihm lasse.

Zu gern lese ich immer und immer wieder die Worte von Beauvoir, da sie gedanklich in einer anderen Welt verankert sind als viele unserer heutigen Literatur. Sicherlich schmälert die moderne Zeit nicht die Qualität der heutigen Bücher, jedoch misse ich die Auseinandersetzung mit unserem Alltag und die Rebellion im Kleinen. Vor allem die Rebellion. Wir demonstrieren gegen schlechtes Essen und Umweltzerstörung, quälen aber den Kollegen, wenn er anders arbeitet als wir. Weil wir uns selbst im Bequemen und mit starren Strukturen quälen. Wir fallen in Passivität, wenn die Umstände für uns nicht passen, anstatt die Dinge zu ändern. Schlechte Gewohnheiten schleifen wir hinter uns her obwohl wir es besser wissen. Aber vielleicht kann Beauvoir etwas dazu sagen ….
“Nichts von alledem ist ganz unrichtig. Somit bin ich also sauber katalogisiert, und indem ich dies akzeptiere, angepaßt an meinen Mann, meinen Beruf, an das Leben, an den Tod, an die Welt, an ihre Schrecken. Dies bin ich, ganz genau ich, mit anderen Worten: niemand.” [Seite 28]
“Er hatte sich doch nach dieser Reise gesehnt, tagelang hatte er an nichts anderes gedacht und nur davon geträumt, wie er in Sonne und Sand liegen würde. Jetzt war er da, es gab Sonne und Sand: nur in seinem Inneren fehlte etwas. Er wußte nicht mehr richtig, was die alten Worte – Glück, Vergnügen – bedeuteten. Wir haben nur fünf Sinne, und die langweilen sich so schnell. Schon war es sein Blick müde, unaufhörlich über dieses Blau, das nie aufhörte, blau zu sein, zu schweifen. Man bekam ein Verlangen danach, diese Seide zu zerschlitzen, Nadines zarte Haut zu zerreißen.” [Seite 89-90]
” ‘Wenn ich allein lebte, würde ich Stunden sparen!’ Kein müßiges Gerede, keine vorgeschriebenen Mahlzeiten: er würde die Tageszeitungen anschauen und dabei im kleinen Biard an der Ecke einen Kaffee trinken, er würde so lange arbeiten, bis es Zeit war, in die Redaktion zu gehen: ein Sandwich würde ihm das Frühstück ersetzen, nach der Arbeit würde er schnell Abendbrot essen und dann bis spät in die Nacht hinein lesen. Auf diese Weise könnte er sich zugleich dem Espoir, seinem Roman und seinen Studien widmen.” [Seite 110]
