dt/engl
Der Tag war lang und ich bin auf dem Rückweg von meinem Tiny House in Berlin Schöneweide nach Hause. Entlang der Spree, versteckt hinter Häuserblocks fern der Strasse, fahre ich einen unglaublich schönen Weg in der Rummelsburger Bucht entlang, bei dem ich weit über die Spree schauen kann. Die Sonne geht langsam unter und zeichnet einen unglaublich schönen Sonnenuntergang. Ich bleibe stehen, um das Schauspiel zu genießen und entdecke ein zusammengenageltes Hausboot, das leicht verwildert an einem Dock festgebunden ist. Während es leicht schaukelnd da liegt, betrachte ich es eine ganze Weile und verliere mich in Gedanken.
Ich versuche ein paar Blicke in das Innere zu erhaschen, um zu erfahren, wie ein Boot wie dieses ausgestattet ist. Ist es ein Sammelsurium aus gefundenen Dingen? Oder Ikea Möbeln? Einbauschränke? Und wer lebt dort, so ungewöhnlich und ohne Komfort?
Ein Bewohner ist nicht zu entdecken. Ich muss schmunzeln, da ich bemerke, wie ich versuche, vom Interior und dem ganzen Drumherum auf den Bewohner zu schließen. Aber mehr noch. Ich versuche seine Ziele und seine Motivation, seine Ideale und seinen Beruf herauszufinden. Quasi eine Charakterstudie, nur ohne Mensch.
Warum ist es mir wichtig, herauszufinden, welche Ziele er verfolgt? Warum bewerte ich seine Lebensumgebung, ohne ihn auch nur gesehen oder mit ihm gesprochen zu haben? Glauben wir wirklich, den Menschen, der uns gegenüber steht, zu kennen? Seinen innersten Antrieb, seine Gedanken?
Das festgefahrene Ritual, sich herauszunehmen, dem Gegenüber ein Wesenskonzept aufzuerlegen, ohne sich die Mühe zu machen, ihn kennenzulernen und ihn zu fragen, wie seine Gedanken zu etwas sind, erscheint mir wie ein Spiegel der eigenen Gedankenwelt. Wenn ich vom anderen annehme, er will mich bewusst verletzen und hintergehen, sagt es doch, dass es ein reales Handlungsfeld der eigenen Realität ist. Oder kurz: Das, was ich in Dir sehe, bin ich selbst. Also, wer bist Du, wenn Du mir gegenüberstehst?
ENGLISH
The day was long and I’m on the way back from my tiny house in Berlin Schöneweide. Along the Spree, hidden behind blocks away from the road, I drive along an incredibly beautiful path in the Rummelsburger Bucht, where I can look far over the Spree. The sun goes slowly under and drawing an incredibly beautiful sunset. I remain standing to enjoy the spectacle and discover a houseboat, which is slightly wildly tied up on a dock. While it’s slightly swinging there, I consider it for a quite while and lose myself in thought.
I try to catch a few glimpses of the inside to see how a boat like this is equipped. Is it a conglomeration of found things? Or Ikea furniture? Built-in cupboards? And who lives there, so unusual and without comfort?
A resident is not to be discovered. I have to smile because I notice how I try to conclude from the interior and all the trappings to the resident. But even more. I try to find out his goals and his motivation, his ideals and his profession. Quasi a character study, only without a human.
Why is it important to me to find out what goals he is pursuing? Why do I asses his living environment without even seeing him or talking to him? Do we really know the people who are facing us? His innermost drive, his thoughts?
The committed ritual, imposing a concept of being on the opposite, without bothering to know him and asking him how his thoughts are, seems to me like a mirror of one’s own thought world. When I assume from the other, he wants to deliberately injure and betray me, it says that it’s a real field of action of one’s own reality. Or in short: what I see in you, I’m myself. So, who are you if you look at me?