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“Definiert man das Design seit der Industrialisierung im ausgehenden 18. Jahrhundert als ein Entwerfen zum vernünftigen Gebrauch, stellt sich im gleichen Maß umgekehrt die Frage, wie man der Vernunft überhaupt zum Gebrauch verhelfen könnte. … Die Gestaltung der Gegenstände und Abläufe innerhalb eines noch so primitiven Alltags beantwortet in praktischer Hinsicht nicht zuletzt die philosophische Frage nach dem Wesen des Menschen, …” (1)
Frage ich danach wie mein Heim, mein Zuhause gestaltet werden kann, stehe ich vor der Reflexion meines Wesens. Ich komme nicht umhin, mich zu fragen, was für mich persönlich Sinn macht. Das Loslösen von standardisierten Vorgaben eines IKEA Regals mag dabei Schwindel erzeugen, weil ich frei darin bin, mich selbst zu entwerfen. Denn der einzige Zweck eines IKEA Regals besteht darin, für möglichst viele Menschen im Design passend zu sein und in der Herstellung einen finanziellen Überschuss für IKEA selbst zu generieren. Der Geschmack der Masse ist nicht das Wissen der Zukunft. Ein Designer, dessen Name von IKEA verschluckt wurde, kann nicht für mich entwerfen, da er meinem Wesen fern ist.
Ich schulde der Frage nach meinem zukünftigen Zuhause eine Antwort, die den Sinn meiner Zukunft erklärt. Was will ich tun und wo will ich hin? Ein eigenes Haus nutzen zu wollen, ist für mich kein Einkauf aus einem Katalog sondern eine intensive Auseinandersetzung mit mir selbst und dem Einlassen auf einen Prozess der Selbstbe- und hinterfragung, an dessen Ende eine Erkenntnis steht, bei der ich mir keinen Eskapismus* erlauben kann. Nur weil mir von der Freiheit schwindelig ist, ist eine Wirklichkeitsflucht zugunsten einer schöneren Welt keine Antwort. Gerade in den Lebenswirklichkeiten des Minimalismus, Aussteigertums und Tiny House schrammen wir immer wieder an der Realitätsflucht entlang und kippen gefährlich nah in eine warme weiche Welt voller moralischer und zwischenmenschlicher Ideale, die sich jenen harten Bandagen des Kapitalismus entledigt hat. Auch ein Tiny House oder einsamer Bauernhof ist Teil einer Welt, die wir uns selbst erschaffen haben.
Was nun ist also mein zukünftiges Tiny House für mich? Ein Zuhause? Ein Labor? Eine Weltflucht?
Es ist meine Zukunft, die ich als interdisziplinären Raum entwerfe. Das House of Tiny Systems ist ein interdisziplinärer Raum mit Hang zum positiven Eskapismus (der Vision zugewandt). Ein visionärer Ort, in dem die Vernunft die Erkenntnisse aus Wissenschaft, Technik, Design und Philosophie zusammenführt und miteinander diskutieren lässt. Wir können es uns nicht mehr leisten, das Wissen aus den verschiedenen Disziplinen unserer Zeit nicht miteinander in Kontakt treten zu lassen oder sich gegenseitig nicht zu inspirieren. Die Begabten unserer Vernunft haben die Pflicht, die eskapistischen Ausbrüche unseres Gesellschaftssystems zu überwinden und das Miteinander und den Austausch der Disziplinen zu forcieren.
Wissenschaft und Technik können nicht ausser Acht lassen, dass die Annahme von Wissen in deren schmackhaften Aufbereitung liegt. Ebenso muss modernes Design anerkennen, dass es sich “gegenüber einem (puren) Verhübschungs- und Überredungsgeschäft dem Willen zur Aufklärung” anschließen muss, will es sich vom puren Materialismus emanzipieren. Entwickeln wir technische Systeme, spiegeln die moralischen und ethischen Fragestellungen die Gedanken derjenigen wieder, die es entwerfen und derjenigen, die es benutzen. In jedem Feld ist die Vernunft die gestalterische Macht und zugleich das Bindeglied zwischen den spezialisierten Feldern des Wissens.
Einfach nur wohnen, geht also nicht. Einfach nur bauen ebenso. Denn “Design ist eine angewandte Philosophie und die Philosophie wiederum ein theoretisches Design der Zukunft. Beide, so scheint es, sind heute im Begriff voneinander zu lernen, was sie noch werden können.” (3)
*Eskapismus, auch Realitätsflucht, Wirklichkeitsflucht oder Weltflucht, bezeichnet die Flucht aus oder vor der realen Welt und das Meiden derselben mit ihren Anforderungen zugunsten einer Scheinwirklichkeit, d. h. imaginären oder möglichen besseren Wirklichkeit.
(1) Philosophie für Designer | Florian Arnold | Seite 16
(2) Philosophie für Designer | Florian Arnold | Seite 15
(3) Philosophie für Designer | Florian Arnold | Seite 16
ENGLISH
USE YOUR MIND
“If one defines the design since the industrialization in the late 18th century as a design for practical use, there is in equal measure the question how you could help the mind to arises a practical use. … The design of the objects and processes within a still so primitive everyday life answers in practical terms not at least the philosophical question after the nature of a human ...” (1)
If I ask how my home, my home can be designed I stand before the reflection of my being. I must ask myself what makes sense to me personally. The leaving of standardized specifications of an IKEA shelf produces dizziness, because I’m free to design my own. Because the only purpose of an IKEA shelf is to be appropriate for many people in the design and manufacturing to generate a financial profit for IKEA. The taste of the mass is not the knowledge of the future. A designer, whose name was swallowed up by IKEA, can’t design for me because he is far away from my being.
I owe the question of my future home the response that explains the meaning of my future. What I want to do and where I want to go? Use an own house is for me not a shopping by a catalogue but an intensive discussion with myself and fall in to a process of self questioning, at whose end the knowledge exists where I can’t allow myself escapism*. Just because I’m dizzy of the freedom, the reality escape in a more beautiful world is not the answer. In the realities of the minimalism and tiny house we scratch again and again along the reality escape and tilt dangerously close in a warm soft world full of moral and interpersonal ideals, which has got rid itself of those punches of capitalism. Also a tiny house or lone farm is part of a world that we have created ourselves.
So, what now is my future tiny house for me? A home? A laboratory? A world escape?
It’s my future I design as an interdisciplinary space. The house of tiny systems is an interdisciplinary space with a penchant for the positive escapism. A visionary place where the spirit brings together the knowledge of science and technology, philosophy and design and discuss with each other. We can no longer afford that the knowledge from the various disciplines of our time doesn’t get in contact and don’t inspire each other. The skillful of our rationality have the duty to overcome the escapist outbreaks of our social system and to encourage cooperation and the exchange of the disciplines.
Science and technology can’t ignore, that the adoption of knowledge lies in its tasty preparation. Modern design must also acknowledge, that’s it must be connected “compared to a (pure) embellishment and persuasion business the will to educate” (2) if it want’s to emancipate from the pure materialism. If we develop technical systems, the moral and ethical issues of the design reflect the thoughts of those who create it and those who use it. In each field the mind is the creative power and at the same time the link between the specialised fields of knowledge.
Just live, isn’t possible. Just build as well. Because “Design is an applied philosophy and the philosophy is in turn the theoretical design of the future. Both, it seems, are today going to learn what they can still be.” (3)